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Foto: Daria Savinkova

#derbühnenprofi #derstudioprofi

Dieter
Kschwendt-Michel

Vom Opernsänger zum Stimm- und Sprechtrainer. Oder so ähnlich, denn ganz so direkt war es nicht. Ursprünglich, also in den 1990erJahren, begann ich ein Studium der Geschichte und Politikwissenschaft an der Uni Wien. Berufswunsch Journalist. Dass Schreiben allein nicht ausreicht, um hier zu reüssieren, kapierte ich dann während eines Praktikums in der Innenpolitikredaktion einer großen österreichischen Tageszeitung recht schnell. Und weiter? Wer’s wissen will, öffnet die Textboxen. 

Zunächst hatte ich mal keinen Plan. Ich steckte irgendwo in der Masterarbeit (damals: Diplomarbeit) fest und investierte meine Energie hauptsächlich in Musik in Form einer Garagenband. Zwar floppte die teuer bezahlte CD-Produktion, aber eine Erkenntnis blieb: auf der Bühne stehen und singen – das gefällt mir, damit will ich mein Geld verdienen. Mit Rock- oder Popmusik war das damals (wie heute) kaum möglich, also verlegte ich mich auf die Klassik. Allerdings nicht aufgrund großer Vorbildung, sondern eher aus Kalkül: hierzulande wird ein Haufen Geld in klassische Musik investiert, also müsste, so dachte ich, selbst ohne Weltkarriere ein beruflicher Weg zu machen sein. Also schloss ich mein Studium an der Uni Wien ab und landete mehr durch Zufall denn Planung am Wiener Konservatorium (heute: Musik- und Kunst Privatuniversität) und in dessen Opern- und Operettenschule. In den folgenden drei Jahren hatte ich nicht nur Bühnen- und Gesangsunterricht, sondern vor allem mit Ferdinand Kaup einen ausgezeichneten Sprechlehrer, was sich später noch bezahlt machen sollte. Als ich im Frühjahr 2001 ziemlich unerwartet eine Hauptrolle in West Side Story an der Wiener Volksoper ergatterte, verließ ich das Konservatorium ohne Abschluss.  Ein Magistertitel reicht, dachte ich mir und stürzte mich ins Abenteuer. Bis März 2020 folgten 54 Rollen an 23 Theatern und 15 Festivals in Europa, den USA und Japan. Darunter durchaus namhafte Orte wie die bereits erwähnte Wiener Volksoper, die Neue Oper Wien, die Bregenzer Festspiele, die Seefestspiele Mörbisch oder die Opernfestspiele (im Steinbruch) St. Margarethen.     

Im März 2020 stellte Corona dann alles auf Null. Und ehrlich gesagt – ich war erleichtert. Seit Jahren hatte ich neben dem Singen verschiedenste Projekte verfolgt, mal zur Ablenkung, mal als echte Alternative (wer das wissen will, liest auch noch die dritte Textbox „und der ganze Rest“), denn mir fehlte mittlerweile die sängerische Perspektive. Ich war ein lyrischer Bariton, quasi die 08/15-Männerstimmlage. Da gibt’s Leute wie Sand am Meer und viele gute. Ich hatte weder eine besonders große noch eine besonders schöne Stimme, um aus der Masse herauszustechen. Und meine Musikalität war auch allenfalls Durchschnitt. Jahrelang hielten mich Einsatz, Energie, Bühnenpräsenz und vor allem mein Talent für gesprochene Dialoge über Wasser. Sobald Schauspielszenen dabei waren, konnte ich punkten und so spielte ich in den 20 Jahren meiner Bühnenkarriere auch hauptsächlich Operette, klassisches Musical und zeitgenössische Oper. Alles Genres, in denen es oft mehr auf Darstellung, denn perfekten Gesang ankommt. Aber irgendwann lässt bei stagnierender Karriere die Energie nach und da ich bereits seit einigen Jahren mit viel Freude Kurse mit Stimm- und Sprechtraining gegeben hatte, war die Entscheidung klar: weg von der Bühne, rüber zu den Lehrern. Und das mit dem Sprechen war für mich auch auf anderer, professioneller Ebene nicht neu: bereits in den späten 90ern hatte ich einige Jahre lang Werbung für’s damals aufkommende Privatradio gesprochen und war durch Zufall in eine Filmsynchronisation gerutscht: „Everest – Gipfel ohne Gnade“ hieß der Film, eine Produktion für das (nicht mehr existierende) Wiener IMAX-Kino. Seit 2014 stehe ich regelmäßig mit Sachtexten für Audio-App-Guide Projekte im Studio. Projekte jener Firma (beyondarts GmbH), die ich in besagtem Jahr mitgründete. Aber das ist eine andere Geschichte und gehört ebenfalls zum „ganzen Rest“.    

In den letzten zehn Jahren verfolgte ich neben dem Singen meist mehrere Projekte. 2014 gründete ich gemeinsam mit zwei Partnern die beyondarts GmbH. Die Idee: Umsetzung von App-Guide-Projekten im Kultur- und Tourismusbereich als Alternative zu herkömmlichen Guiding-Systemen. Heute ist eine App ein alter Hut, aber 2014 kam an dem Thema niemand vorbei. Wir (mittlerweile nur mehr zu zweit) haben in den letzten zehn Jahren mit selbst entwickelter Software über 20 Projekte umgesetzt, darunter App-Guides für die Uni Wien, die Wiener Hofburg, die Wachau, Carnuntum oder die Städte Baden und Gmunden. Highlight der letzten Jahre war ein zweijähriges App-Projekt über Georgien. Faszinierendes Land, aber das ist eine andere Geschichte. Ich war und bin mit dabei als deutsche Stimme aller Projekte, aber auch mit Projektmanagement, Recherche und (fast immer) Schreiben der Texte. Das Schreiben hat mich seit den journalistischen Gehversuchen der 90er Jahre nicht losgelassen. Als meine Stimme 2015 über Monate hinweg ihren Dienst versagte, verdiente ich mein Geld u.a. mit der Übersetzung eines Buches vom Englischen ins Deutsche. 2016 abslovierte ich dann eine Ausbildung zum Fitnesstrainer. Ich bin ein ziemlicher Sportfreak, betrieb damals leidenschaftlich Triathlon und wollte mehr über die ziemlich komplexe Trainingsplanung wissen. Das gelang mir bedingt, aber als Ergebnis der Ausbildung arbeitete ich nicht nur zwei Jahre nebenberuflich als Fitnesstrainer, sondern – und viel wichtiger für den weiteren Lebensweg – begann auch mit Kursen zu Stimm-, Sprech- und Präsentationstraining. Ich hatte nämlich festgestellt, dass es unter angehenden Fitnesstrainern (absichtlich männliche Form) viele gab, die Übungen zwar gut vorzeigen, aber kaum verständlich erklären konnten. Also entwickelte ich ein Kursmodul, lancierte es bei verschiedenen Anbietern von Fitnesstrainerausbildungen und los ging’s. Aus diesen Kursen formten sich dann jene für meine heutigen Kunden wie BFI, WAFF oder APA. Im Fitnessbereich arbeite ich nur noch mit Elisabeth Niedereders Unternehmen tristyle zusammen, halte regelmäßig Kurse an ihrer Academy und bin Host in ihrem Podcast „push your limit“. Triathlon ist mir übrigens irgendwann auch zu fad geworden, mittlerweile bin ich dem Mountainbike-Downhillen verfallen. Macht deutlich mehr Spaß. Und damit schließt sich der Kreis.